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Für den Erhalt bäuerlicher Landwirtschaft in Südbaden, Teil 5

Der Bauer ist kein Spielzeug

von Rainer Bank, 22. April 2024 Was hat die Ballade „Das Riesen-Spielzeug“ von 1831 mit den Bauernprotesten des Jahres 2024 zu tun? Das Gedicht bringt die heutige Stimmung unter Landwirten auf den Punkt: Sie wollen nicht mehr der Spielball „der Mächtigen“ sein. Ein symbolischer Abschluss unserer Serie zum 9-Punkte-Plan des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV).
Der Bauer ist kein Spielzeug
Der Bauer ist kein Spielzeug

Dass der Bauer kein Spielzeug ist, wusste schon der deutsche Naturforscher und Dichter mit französischen Wurzeln Adelbert von Camisso, geboren am 30.01.1781 in Châlons-en-Champagne und gestorben am 21.08.1838 in Berlin. Mit seiner im Jahre 1831 verfassten Ballade „Das Riesen-Spielzeug“ bezog er sich auf eine Sage über die ehemalige Burg Niedeck bei Oberhaslach in den elsässischen Vogesen, ca. 30 km westlich von Straßburg. Sie bildet den Abschluss unserer Serie zum 9-Punkte-Plan des BLHV, denn trotz ihres Alters von fast 200 Jahren ist sie brandaktuell und steht stellvertretend für das unter Landwirtinnen und Landwirten vorherrschende Gefühl der Frustration angesichts der Bevormundung und der mangelnden Wertschätzung durch Politik und Gesellschaft.

Das Riesen-Spielzeug

Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohl bekannt,
Die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand;
Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer,
Du fragest nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.

Einst kam das Riesen-Fräulein aus jener Burg hervor,
Erging sich sonder Wartung und spielend vor dem Thor
Und stieg hinab den Abhang bis in das Thal hinein,
Neugierig zu erkunden, wie’s unten möchte sein.

Mit wen’gen raschen Schritten durchkreuzte sie den Wald,
Erreichte gegen Haslach das Land der Menschen bald,
Und Städte dort und Dörfer und das bestellte Feld
Erschienen ihren Augen gar eine fremde Welt.

Wie jetzt zu ihren Füßen sie spähend niederschaut,
Bemerkt sie einen Bauer, der seinen Acker baut;
Es kriecht das kleine Wesen einher so sonderbar,
Es glitzert in der Sonne der Pflug so blank und klar.

Ei! artig Spielding! ruft sie, das nehm’ ich mit nach Haus.
Sie knieet nieder, spreitet behend ihr Tüchlein aus,
Und feget mit den Händen, was da sich alles regt,
Zu Haufen in das Tüchlein, das sie zusammen schlägt;

Und eilt mit freud’gen Sprüngen, man weiß, wie Kinder sind,
Zur Burg hinan und suchet den Vater auf geschwind:
Ei Vater, lieber Vater, ein Spielding wunderschön!
So Allerliebstes sah ich noch nie auf unsern Höh’n.

Der Alte saß am Tische und trank den kühlen Wein,
Er schaut sie an behaglich, er fragt das Töchterlein:
Was Zappeliges bringst du in deinem Tuch herbei?
Du hüpfest ja vor Freuden; laß sehen, was es sei.

Sie spreitet aus das Tüchlein und fängt behutsam an,
Den Bauer aufzustellen, den Pflug und das Gespann;
Wie alles auf dem Tische sie zierlich aufgebaut,
So klatscht sie in die Hände und springt und jubelt laut.

Der Alte wird gar ernsthaft und wiegt sein Haupt und spricht:
Was hast du angerichtet? das ist kein Spielzeug nicht!
Wo du es hergenommen, da trag’ es wieder hin,
Der Bauer ist kein Spielzeug, was kommt dir in den Sinn!

Sollst gleich und ohne Murren erfüllen mein Gebot;
Denn, wäre nicht der Bauer, so hättest du kein Brod;
Es sprießt der Stamm der Riesen aus Bauernmark hervor,
Der Bauer ist kein Spielzeug, da sei uns Gott davor!

Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohlbekannt,
Die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand,
Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer,
Und fragst du nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.

Wie der Vater des Riesenfräuleins in der Ballade ernstlich ermahnt, ist der Bauer kein Spielzeug. Das Gegenteil ist jedoch in der Realität leider der Fall. Immer wieder wurden die Landwirte zum Spielball verschiedener Interessen. Im Interesse der Versorgungssicherheit wurden sie immer mal wieder durch die Agrarpolitik in Vertretung durch die landwirtschaftliche Beratung dazu animiert, ihre Betriebe zu vergrößern und die Produktion von Lebensmitteln zu intensivieren. Mal war es der grüne Plan oder die Erzeugungsschlacht, die erkoren wurden, um die landwirtschaftliche Produktion zu pushen, im Interesse der Bevölkerung diese ausreichend mit billiger Nahrung versorgen zu können. Die Konsequenzen für die Natur, Umwelt und für das Wohl der Tiere wurden von der Landwirtschaftsverwaltung und anderen Interessensverbänden gerne übersehen.

Kirschblüte bei Niedereggenen, Foto: Christoph Duepper
Kirschblüte bei Niedereggenen, Foto: Christoph Duepper

Die Folgen dieser Industrialisierung zeigten sich dann im Artenrückgang in der Natur oder der Grundwasserbelastung durch Nitrat und Pflanzenschutzmittelrückstände. Wurden anschließend diese Missstände von der städtischen Bevölkerung beklagt, geriet die Landwirtschaft in das Kreuzfeuer der Kritik; nicht aber die Landwirtschaftsverwaltung, die schon in der landwirtschaftlichen Berufsausbildung das Mantra von der Intensivierung, Spezialisierung und Betriebsexpansion predigten.

Die Landwirtschaft mit ihrer Vielfalt, den Äckern, Wiesen, dem Wald und den Nutztieren erweckt Emotionen. Und vom Fleiß der hiesigen Bauernfamilien hängt die Versorgung der städtischen Bevölkerung mit hochwertigen Lebensmitteln ab.

Die große gesellschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft weckt daher immer wieder politische Begehrlichkeiten, sich in die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Betriebe einzumischen. Aber … Der Bauer ist kein Spielzeug!

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