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Entwicklung unserer Landtechnik

Teil 1: Vom Pferd zur Mechanisierung

von Rainer Bank, 12. Januar 2023 Die Mechanisierung der deutschen Landwirtschaft erfolgte nicht parallel mit der Industrialisierung, vor allem in Süddeutschland kamen noch weit bis ins 20. Jahrhundert hinein Pferde statt Traktoren zum Einsatz. Technische Innovationen waren zwar vorhanden, jedoch verhinderte der Zweite Weltkrieg ihre flächendeckende Verbreitung
Teil 1: Vom Pferd zur Mechanisierung
Grasmäher mit Pferdeantrieb, Quelle: Fahr-Katalog

Spätestens mit der Reichsgründung 1871 hatte die Industrialisierung in Deutschland deutlich an Fahrt aufgenommen und unmittelbar vor Beginn des Ersten Weltkrieges hatte Deutschland nahezu zu England, dem Mutterland der Industrialisierung, aufgeschlossen. Während allerorts in den deutschen Regionen die Fabrikschlote rauchten und in Übersee die Mechanisierung der Landwirtschaft schon Einzug hielt, schien die Landwirtschaft in unseren Breiten in ihren archaischen, vorindustriellen Strukturen gefangen.

Lediglich um die Nutzung des Wassers als Antriebskraft wusste man bis in die entlegensten Winkel des Schwarzwaldes seit Jahrhunderten Bescheid. Unzählige Mühlen mahlten hierzulande das hofeigene Getreide zu Brotmehl und Gries zur Versorgung der Bauersfamilie und des Tierbestandes. Hier schaffte man es durch ausgeprägten Tüftlergeist, die Wasserkraft über Transmissionsriemen auch zum Antrieb von Dreschmaschinen und Heuaufzügen sinnvoll zu nutzen, als es diese zu kaufen gab. Da die seit den 1920er Jahren einsetzende Elektrifizierung mit der Erschließung der oftmals abgelegenen Bauernhöfe noch Jahrzehnte auf sich warten ließ, war die Nutzung der Wasserkraft die einzige Möglichkeit, an der Technisierung teilzuhaben.

In den ostelbischen landwirtschaftlichen Großbetrieben hielt ab den 1870er Jahren die in der Industrie längst gebräuchliche Dampfmaschine Einzug. Mit ihnen konnten Dreschmaschinen (bis die Mähdrescher erfunden wurden, sollten noch einige Jahrzehnte ins Land gehen) angetrieben sowie monströse Kipppflüge per Seilzug durch den Boden gezogen werden.

Als nach der Jahrhundertwende erste Traktoren verfügbar waren, blieben diese der Motorisierung in Ost- und Norddeutschland vorbehalten. Der Grund dafür war, dass diese für die meist kleinstrukturierten Bauernhöfe in West- und Mitteldeutschland zu schwer und zu teuer in der Anschaffung waren. Zwar hatte mittlerweile auch dort die Mechanisierung ab der Jahrhundertwende Einzug gehalten: Die west- und mitteldeutschen Bauern kauften sich Mähmaschinen, Heuwender, Pflüge, Eggen und Sämaschinen, gezogen wurden diese jedoch nach wie vor von Pferden.

Getreidemähbinder mit Traktorantrieb, Quelle: Fahr-Katalog
Getreidemähbinder mit Traktorantrieb, Quelle: Fahr-Katalog

Als 1929 von der Firma Continental die Traktorenbereifung mit Luft befüllten Gummireifen entwickelt wurde, war es fortan möglich, kompaktere Traktoren in kleineren Leistungsklassen zu bauen. Die Nachfrage nach diesen 20–30 PS starken Traktoren stieg daraufhin enorm an und auch in Süddeutschland hielten sie zunehmend Einzug. Zunächst förderte die nationalsozialistische Regierung die Mechanisierung der Landwirtschaft. Diese sollte im Falle eines Lebensmittelembargos durch einen Krieg in der Lage sein, die deutschen Städter trotzdem ausreichend mit Nahrung zu versorgen. Hierzu war es erforderlich, dass auch die bäuerlichen Kleinbetriebe nach dem Willen der Nationalsozialisten mechanisiert werden. Verschiedene Traktorenhersteller lieferten sich ein Wettrennen um den Zuschlag der Reichsregierung für den Bau eines „Volkstraktors“ in der Leistungsklasse zwischen 10 und 15 PS. Ein anderer Lösungsvorschlag war die Konstruktion einer quasi Konstruktion einer universell einsetzbaren Landmaschine in der Form eines „Geräteträgers“. Der Grundgedanke war hier, dass ein weniger kapitalkräftiger Kleinbauer die zur Bewirtschaftung seines Hofes benötigten Geräte zwischen den Achsen an seinen Geräteträger anbauen konnte, und diese billiger in der Anschaffung waren, weil sie keine Fortbewegungsräder benötigten.

Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges erschwerte die landwirtschaftliche Mechanisierung zunehmend. Traktoren und Landmaschinen waren nur noch per Bezugsschein zu bekommen. Der Kriegsverlauf verbot ab 1942 den Einsatz von Dieselkraftstoff in der Landwirtschaft. Wahre Ungetüme an Holzgastraktoren erwiesen sich für den Einsatz auf den Feldern als ungeeignet. Erschwerend kam noch hinzu, dass die in der Landtechnik fachkundigen Personen für den Kriegseinsatz abgezogen worden waren und die Holzgastraktoren oftmals nicht zum landwirtschaftlichen Einsatz kamen. Stattdessen wurde wieder nach altväterlicher Sitte mit Pferden und Ochsen gearbeitet. Der Siegeszug des Traktors als „Schlüsseltechnologie“ war durch den Krieg um mindestens ein Jahrzehnt zurückgeworfen worden

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