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Wanderschäferei im Markgräflerland

Schafe leisten wichtigen Beitrag für Landwirtschaft und Landschaftspflege

von Gabriele Hennicke, 15. April 2022 Ob im Sommer oben in den Steilhängen am Belchen oder im Winter in den Weinbergen des Markgräflerlands: Immer bietet Wanderschäfer Jürgen Weltle mit seiner 400-köpfigen Schafherde ein archaisches Bild.
Schafe leisten wichtigen Beitrag für Landwirtschaft und Landschaftspflege
Landschaftspflege am Belchen

Jürgen Weltle gehört zu der immer seltener werdenden Spezies der Wanderschäfer. Er wandert das ganze Jahr über mit seiner großen Herde, zu der auch über 100 Ziegen gehören, durch den Südschwarzwald und das Markgräflerland. Den Sommer verbringen Schäfer und Tiere rund um den Belchen, wo sie im Auftrag der Naturschutzverwaltung die steilsten Hänge des 1.414 Meter hohen Berges beweiden. Weltles Wohnwagen, gewissermaßen der Schäferkarren von heute, steht jedes Jahr im August beim Belchenhaus, Blick Richtung Süden.

Dank der Schafe bleibt das Gelände offen
Neben dem Wohnwagen liegen aufgerollte Weidezäune, steht der Geländewagen des Schäfers, im Hundeanhänger dösen die Hütehunde. Die große Herde aus Schafen und Ziegen grast friedlich und beweidet die steilen Berghänge unterhalb des Gipfelrundwegs, den die zahlreichen Besucher des schönen Schwarzwaldgipfels mit dem herrlichen Panoramablick gerne begehen. Die mageren Wiesen am Belchensüdhang sind durchsetzt mit Heidelbeersträuchern und violett blühendem Heidekraut. Einzelne ausladende Weidbuchen, Fichten und Mehlbeerbäume und riesige Felsmassive wie der Rapsfelsen prägen die Steilhänge. „In diesem unwegsamen Gelände können nur Schafe und Ziegen weiden, für Kühe ist es zu steil“, sagt der Schäfer, „wo es vom Gelände her möglich ist, stelle ich flexible Wanderzäune auf und lasse die Herde fressen.“ Am Belchensüdhang erhält Weltes Herde im Auftrag der Naturschutzbehörde die geschützten Borstgrasrasen. Nach etwa zwei Tagen ist alles abgegrast. Heidelbeersträucher und Heidekraut sind für einen gesunden Bestand zurück gestutzt und so manch kleiner Baum oder Strauch, der über die Jahre aus den offenen Weiden einen Wald machen würde, wurde von den gefräßigen Ziegen angeknabbert und damit zurückgedrängt. Dann rückt die Herde ein Stück weiter. Jürgen Weltle baut den Wanderzaun ab und an anderer Stelle wieder auf – eine mühevolle Arbeit im Steilhang zwischen all den Felsen. Seine drei Hütehunde bewachen derweil die Herde. Wo es gar zu felsig wird und es nicht möglich ist, den Zaun aufzustellen, wird gehütet. Dann beaufsichtigen Jürgen Weltle und seine drei berggängigen Hunde, Mischlinge aus Border Collie und Altdeutschem Hütehund, die Herde.

Wanderschäfer werden immer weniger
So idyllisch und abenteuerlich das Schäferleben auf den ersten Blick scheint, es hat viele Härten. Denn gut leben kann Jürgen Weltle von seinem Beruf nicht. Seine Einnahmen bestehen aus Fördermitteln nach der Landschaftspflegerichtlinie, die das Land Baden-Württemberg für die Pflege besonders hochwertiger und schützenswerter Flächen zur Verfügung stellt, und aus landwirtschaftlichen Fördergeldern. Auch der Verkauf von Lammfleisch trägt zum Einkommen bei und ein Nebenjob in der Betreuung von Menschen mit Behinderung unterstützt die Existenz.

Noch gibt es etwa 110 hauptberufliche Schäfer in Baden-Württemberg. Wanderschäfer wie Jürgen Weltle gibt es jedoch nur noch etwa 15. Sie beweiden mit ihren Herden die Grünlandflächen in Baden-Württemberg, vor allen Dingen auf der Schwäbischen Alb und im Nordschwarzwald. In den letzten zehn Jahren ging der Schafbestand und damit auch die Zahl der Betriebe um etwa ein Drittel zurück. „Der durchschnittliche Stundenlohn eines Schäfers in Baden-Württemberg beträgt nicht mal den Mindestlohn und das bei einem 14- bis 16-Stunden-Tag“, sagt Anette Wohlfarth, Geschäftsführerin des Landesschafzuchtverbandes. „Wenn sich daran nichts ändert, gibt es bald keine Wanderschäfer mehr und eine jahrhundertealte Tradition verschwindet für immer. Allein in den letzten zehn Jahren ging die Schafhaltung um 30 Prozent zurück“. Die Schäferschule des Landes in Stuttgart-Hohenheim wurde 2015 wegen Nachwuchsmangel und aus Spargründen geschlossen.

Schafe beweiden den Weinberg
Schafe beweiden den Weinberg

Schafe beweiden Weinberge
Schon Weltles Urgroßvater war Wanderschäfer, ebenso Großvater und Vater, auch seine Schwester ist Schäferin. Der heutige Wanderschäfer hat den Metzgerberuf gelernt und 15 Jahre als Metzger gearbeitet. Irgendwann ergab sich die Möglichkeit, in die Landschaftspflege einzusteigen – mit Schafen. Das war vor über 25 Jahren. „Da habe ich nicht lange gezögert und mir langsam eine Herde aufgebaut“, sagt Jürgen Weltle. Angefangen hat er mit 20 Tieren und dabei immer wieder Fleischrassen mit Naturschutzrassen wie dem Rhönschaf mit dem charakteristischen schwarzen Kopf und dem Fuchsschaf mit braunem Kopf und bräunlichem Fell gekreuzt. Von Anfang an gehörten auch Ziegen zur Herde. Diese sind für die Landschaftspflege unerlässlich, weil sie auch Büsche und kleine Bäume abfressen und damit wichtige Landschaftselemente erhalten, die zur Biodiversität beitragen.

Den Winter verbringt der Wanderschäfer mit seiner Herde in der Vorbergzone der Rheinebene. Immer öfter ziehen die Tiere auch durch die Weinberge – eine Win-win-Situation für Landwirte und Schäfer: Die Beweidung durch die Schafherde passt gut ins Konzept einer nachhaltigen Landwirtschaft, wie sie Rainer Weber vom Weingut Weber in Buggingen praktiziert. Die Schafe weiden nicht nur auf seinen Rebflächen bei Buggingen, sondern auch auf den abgeernteten Saatmaisfeldern in der Ebene, wo er eine Untersaat, nämlich ein Weidelgras, eingebracht hat. Die Schafe ersparen dem Landwirt den Schnitt. Zudem bringen sie mit ihrem Kot Dünger ein, der sich zu mikrobieller Masse im Boden verwandelt und über die Jahre die Bodenfruchtbarkeit und die Wasserspeicherkapazität der Böden fördert.

Nach der Schafschur im Mai zieht Jürgen Weltle mit seiner Herde von Müllheim-Britzingen, wo er regelmäßig eine große Mirabellenanlage beweidet, über Schweighof und Sirnitz hinauf in den Schwarzwald nach Neuenweg im Kleinen Wiesental. Dort übernehmen die Schafe die Erstbeweidung von Landschaftspflegeflächen, bevor es dann im August auf den Belchen geht.

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