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„Think Tank Regionale Landwirtschaft“

Regionale Lebensmittel – Luxus oder Grundversorgung? Teil 1

von Katja Brudermann, 13. Juni 2025 Dieser Frage widmeten sich Experten, Erzeuger und Verbraucher im Juni 2025 im Freiburger Haus der Bauern – mit dem Ziel, den Stellenwert regionaler Lebensmittel in unserer Gesellschaft besser zu verstehen und die Zukunftsfähigkeit der Lebensmittelproduktion vor Ort zu sichern. Teil 1 stellt die von Katja Brudermann initiierte Gesprächsrunde vor.
Regionale Lebensmittel – Luxus oder Grundversorgung? Teil 1
„Think Tank Regionale Landwirtschaft“ im Haus der Bauern

„Gemüse aus dem eigenen Garten zu haben, ist für mich der größte Luxus!“, freut sich Christoph Höfflin, Bio-Obsterzeuger aus Denzlingen. Beim Blick auf seine Kunden betont er: „Unseren Hofladen sehen wir als Bio-Nahversorger. Ein Einkauf bei uns soll Alltag und nicht Luxus sein.“

„Ich traue unseren globalen Lieferketten für Grundnahrungsmittel nur begrenzt“, betont Rainer Bank. Der Landwirt aus Kirchzarten baut Getreide und Gemüse an und betreibt einen Hofladen. Dass viele Verbraucher nur dann regional einkaufen, wenn die Finanzen gerade mal tiefenentspannt sind, ist in seinen Augen zu kurz gedacht.

„Wenn wir in Deutschland weiterhin so gedankenlos nur die billigsten Lebensmittel kaufen, dann gibt es uns Bauern bald nicht mehr!“ Steffen Brupbach, Nebenerwerbslandwirt mit Grünland, Mutterkühen und pädagogischen Angeboten aus Teningen-Heimbach, nimmt in seinem Instagram-Kanal @brupbachhof kein Blatt vor den Mund, wenn es um seine Einsichten als Quereinsteiger geht.

„Für mich bedeutet Luxus, dass ich selbst entscheiden kann, wen ich mit meinem Einkauf belohne und, was ich in meinen Körper aufnehme“, erklärt Barbara Schneider. Als erfahrene Begleiterin von Wein- und Markt-Führungen in Freiburg und Betreiberin ihres regionalen Instagram-Accounts @gut_gell ist es ihr ein wichtiges Anliegen, die große Leistung der Landwirte in der Region an die Öffentlichkeit zu bringen.

Auch Alexander Graf hat in seinem Freiburger „Blog-Lokal“ schon mit einigen Landwirten gesprochen. Der Lebensmitteleinkauf ist für den berufstätigen Familienvater auch eine zeitliche Herausforderung. „Wenn ich nach Feierabend noch kurz in den Supermarkt flitze, dann achte ich aufs Bio-Siegel – aber sind die Produkte dann auch regional?“, fragt er sich.

„Was ein Mensch als Luxus empfindet, ist sehr individuell. Für den einen ist ein neues Auto wichtig, für den anderen ein gutes Essen“, fasst Tasmin Taskale zusammen. Eines ist für die Mitarbeiterin des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV) jedenfalls klar: „Wir müssen die regionalen Landwirte fördern – auch auf politischer Ebene!“

Katja Brudermann hat als freie Journalistin zu dieser Runde eingeladen. Ihre Überzeugung lautet: „Wenn Menschen mit verschiedenen Hintergründen und Erfahrungen sich gemeinsam mit einem Thema beschäftigen, dann zeigen sich wertvolle Erkenntnisse, die über das Wissen jedes einzelnen hinausreichen.“

Die Stimmen aus der Gesprächsrunde lassen erahnen: Eine eindeutige Antwort auf die Frage, ob regionale Lebensmittel eher als Luxus oder eher als Grundversorgung anzusehen sind, gibt es nicht.

Es gibt viele Erfolgsgeschichten von Erzeugern, die einen kleinen, aber feinen Kundenstamm mit ihren Produkten begeistern, denn sie vermitteln: Unsere Erdbeeren oder auch unsere Liköre, unsere Backwaren, unser Bauernhofeis, unsere alten Gemüsesorten ... sind etwas ganz Besonderes.

Geschichten, die sich auf regionale Lebensmittel zur Grundversorgung ausrichten, klingen allerdings ganz anders: Die Rahmenbedingungen in unserem Land sind für viele Landwirte schwierig. Aufgrund von Mitarbeitermangel oder fehlender Hofnachfolge nimmt die Zahl an Bauernhöfen ab. Lässt sich dieser Trend nicht aufhalten, dann leben wir in absehbarer Zukunft in einem Land, dem Know-how, Technik und Flächen verloren gehen. Im Ernstfall, wenn internationale Handelsbeziehungen nicht mehr funktionieren sollten, fehlt uns dann die Möglichkeit, unseren Bedarf an Grundnahrungsmitteln wie Brot oder Kartoffeln zeitnah aus inländischer Erzeugung zu decken.

„Das ist ja eine Realität, die für uns alle greifbar ist“, bemerkt Christoph Höfflin, und fragt in die Runde: „Wie viel von diesen eher pessimistischen Gedanken vertragen denn die Kunden? Ist es gut, sie darüber zu informieren, oder bleiben wir lieber bei Qualität und Aroma, um Verbraucher zu überzeugen?“

Barbara Schneider berichtet von ihren Frühstückstouren über den Freiburger Münstermarkt, bei denen sie Gruppen mit Marktbeschickern zusammenbringt. Sie berichtet: „Auf einer Tour kommen verschiedene Erzeuger zu Wort. Manche geben Verarbeitungstipps fürs frische Gemüse weiter, andere erzählen unterhaltsame Geschichten vom Acker. Und wenn dann einer dabei ist, der offen über seine Schwierigkeiten spricht, wird das von den Zuhörern gut aufgenommen.“ Steffen Brupbach ergänzt: „Über meinen Instagram-Kanal erreiche ich über 15.000 Menschen. Ich habe Follower in ganz Deutschland, die Hofpatenschaften übernehmen und mir monatliche Beträge überweisen. Dass ich sehr offen sage, was mich nervt, scheint sie nicht abzuschrecken. Im Gegenteil: Sie interessieren sich für meine Sichtweise und vertrauen mir.“ Alexander Graf schildert seine Sicht als Verbraucher: „Seit ich in meinem Blog ein paar Landwirte interviewt habe, sind mir deren Themen durchaus vertraut und ich beschäftige mich stärker damit, welche Lebensmittel ich einkaufe. Toll finde ich Höfe, die ganz konkrete Vorschläge machen, wie man sie mit wenig Aufwand unterstützen kann, zum Beispiel durch Tierpatenschaften oder Hof-Aktien. Leider weiß ich noch immer zu wenig darüber und sehe hier noch viel Potenzial, Höfe mit interessanten Angeboten für die Öffentlichkeit sichtbarer zu machen.“

Vielseitige bäuerliche Landwirtschaft in Südbaden
Vielseitige bäuerliche Landwirtschaft in Südbaden

Während es manchmal so aussieht, als würden die deutschen Verbraucher unbeirrbar die billigsten Nahrungsmittel-Schnäppchen jagen und damit in Kauf nehmen, dass regionale Erzeuger immer seltener werden, zeigte sich bei diesem Treffen (wie bei vielen anderen Gelegenheiten auch): Es gibt ein wachsendes Netzwerk aus Erzeugern, Organisationen und Verbrauchern, die sich auf vielfältige Weise für den Erhalt regionaler Landwirtschaft einsetzen.

Hier geht es zu Teil 2.

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