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In Teil 1 zur Lebensmittelqualität ging es überwiegend um die subjektive Erfahrungsqualität, die jeder Einzelne mit den eigenen Sinnen bewerten kann. Darüber hinaus gibt es weitere Zugänge zur Qualität von Lebensmitteln:
Gut ist nicht gleich gut: Vom Sattmacher zur wissenschaftlich fundierten Mahlzeit
Die Bewertung der Lebensmittelqualität ist nicht nur von Mensch zu Mensch, sondern auch von Gesellschaft zu Gesellschaft unterschiedlich. „Nach dem 2. Weltkrieg zählte in erster Linie der Kaloriengehalt“, erklärt Werner Braun, der seit vielen Jahren Seminare zu Lebensmittelqualität anbietet, „die Menschen hatten Hungerjahre hinter sich, und viele gingen einem gewissen Maß an körperlich harter Arbeit nach – entsprechend musste eine Mahlzeit satt machen, alles andere war zweitrangig.“
Als der gröbste Hunger der Gesellschaft gestillt war, kamen die Ballaststoffe, Vitamine und Spurenelemente ins Visier, und später auch die sekundären Pflanzeninhaltsstoffe, die für eine gesunde, ausgewogene Ernährung von Bedeutung sind.
Die Wissenschaft entwickelte sich weiter – man entdeckte: Letztendlich sind es nicht die einzelnen Inhaltsstoffe, die ein Lebensmittel zu etwas Gesundem machen; die Mischung machtʼs. Manche Vitamine und Mineralstoffe können vom Körper nur dann optimal aufgenommen werden, wenn entsprechende Gegenspieler zugleich auch in passender Dosis vorhanden sind.
Jüngste wissenschaftliche Forschungsprojekte beschäftigen sich mit den Mikroorganismen, die mehr oder weniger überall zu finden sind: In unserem Darm und auf unserer Haut, und genauso auch im Boden, auf und in den Pflanzen und tierischen Lebensmitteln, die wir zu uns nehmen. Der Verdacht liegt nahe: Lebensmittel, die auf einem gesunden Boden mit einem ausgewogenen, vielfältigen Mikrobiom gewachsen sind, wirken sich positiv auf die menschliche Darmflora aus – Pflanzen, die in armen, verdichteten, ungesunden Böden gewachsen sind, fördern die Darmflora weniger.
Das Zusammenspiel aller Lebewesen, Nährstoffe, Mineralien und sonstiger Inhaltsstoffe in einem Lebensmittel erweist sich bei genauer Betrachtung als so komplex, dass die Zusammenstellung einer optimal ausgewogenen Mahlzeit sich schon in den Grenzbereich einer wissenschaftlichen, datenbasierten Angelegenheit hin zu einem künstlerischen Gestaltungsprozess bewegt.
Die biologisch-dynamische Perspektive: Die Wiederentdeckung der Lebenskraft
„In der von Rudolf Steiner geprägten biologisch-dynamischen Landwirtschaft und ihrer Erforschung hat man nach Alternativen zu einer rein analytischen Betrachtung gesucht“, erzählt Werner Braun. Für so genannte Kristallationsbilder wird ein flüssiger Auszug aus einem Lebensmittel, beispielsweise einer Karotte, auf ein Filterpapier geträufelt. Die Flüssigkeit breitet sich strahlenförmig aus, und wenn sie getrocknet ist, hinterlässt sie ein Bild, das an eine Blütenform oder Ähnliches erinnert.
Je harmonischer, differenzierter und feiner strukturiert das entstandene Bild ist, desto hochwertiger das Lebensmittel – so die Überzeugung von Menschen, die in dieser Methode geschult und erfahren sind. Tatsächlich kann auch ein Laie erkennen, dass eine Karotte aus einem humusreichen, mit sorgfältig gereiftem Kompost gedüngtem Boden ein komplexeres Kristallisationsbild zeigt als eine Karotte, die ihren Stickstoff über eine mineralische Düngung erhalten hat.
Während man in der analytischen Wissenschaft von der Zusammensetzung der Inhaltsstoffe spricht, erfährt der Begriff der „Lebenskraft“ in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft wieder neue Bedeutung, der aus östlichen Kulturen als Qi bekannt ist und auch hierzulande bis ins 17. Jahrhundert üblich war. Für Werner Braun nähern sich die verschiedenen Perspektiven einander durchaus an: „Je genauer man sich mit der optimalen Zusammensetzung diverser Inhaltsstoffe in einem Lebensmittel beschäftigt, umso sinnvoller erscheint es, für dieses komplexe Geschehen voller Wechselwirkungen den Begriff der Lebenskraft zu verwenden.“
Um den exakten Kalziumgehalt eines Lebensmittels zu bestimmen, ist die moderne Labortechnik sicher besser geeignet als die menschliche Zunge. Aber wer weiß – wenn es darum geht, die Lebenskraft spendende Gesamtheit eines Lebensmittels optimal zu erfassen –, vielleicht kann eine geschulte menschliche Wahrnehmung bei aktuellen wissenschaftlichen Methoden durchaus mithalten.
Buchtipp: Lebensmittelqualität – ganzheitliche Methoden und Konzepte von Angelika Meier-Ploeger und Hartmut Vogtmann, C. F. Müller Verlag 1991, ISBN 978-3788098452; antiquarisch erhältlich z. B. über www.zvab.com
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