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Biodiversität in der Landwirtschaft, Teil 1

Bienen, Böden, Bauern – warum wir biologische Vielfalt brauchen

von Annika Burger, 28. März 2025 Der Schwarzwald gilt als ein Gebiet mit hoher Biodiversität, d.h. hier gibt es (noch) eine große Vielfalt von Genen, Arten und Ökosystemen. In Teil 1 der Serie widmen wir uns grundlegenden Fragen: Warum ist Biodiversität eigentlich so wichtig? Und was hat Biodiversität mit bäuerlicher Landwirtschaft zu tun?
Bienen, Böden, Bauern – warum wir biologische Vielfalt brauchen
Tagpfauenauge, Foto: Anne-Nygard

„Ein Bewusstsein für den Wert von Natur entsteht oft erst mit ihrem Verlust“, so die BUND-Waldexpertin Nicola Uhde. Dieser Wert der Natur liegt in ihrem Reichtum, nämlich der Biodiversität. Biodiversität bezeichnet die Vielfalt des Lebens auf der Erde und umfasst drei wesentliche Ebenen: Die genetische Vielfalt beschreibt die Variationen innerhalb einer Art, die für deren Anpassungsfähigkeit und Widerstandskraft gegen Krankheiten oder Umweltveränderungen entscheidend sind. Die Artenvielfalt umfasst die Vielzahl unterschiedlicher Pflanzen-, Tier- und Mikroorganismenarten, die in einem Ökosystem vorkommen. Die Ökosystemvielfalt beschreibt die unterschiedlichen Lebensräume wie Wälder, Wiesen, Moore oder Gewässer, die miteinander interagieren und komplexe Lebensgemeinschaften bilden. Der Schwarzwald zum Beispiel ist ein Gebiet mit hoher Biodiversität. Seine strukturreiche Landschaft aus Wäldern, Weiden, Mooren und Streuobstwiesen bietet zahlreichen Arten Lebensraum. Traditionelle bäuerliche Wirtschaftsweisen haben zur Erhaltung dieser Vielfalt beigetragen.

Warum braucht der Mensch Biodiversität?

Aber warum ist Biodiversität so wichtig? Reicht es nicht aus, wenn nur die Honigbiene unsere Pflanzen bestäubt? Sind ein paar Pflanzen mehr oder weniger auf der Weide nicht egal, es blüht doch auch so schön bunt? Nein. Die natürliche Vielfalt ist nicht nur aus ökologischer Sicht von Bedeutung, sondern hat auch weitreichende Auswirkungen auf den Menschen. Eine hohe Biodiversität sorgt für fruchtbare Böden, Bestäuberinsekten und für widerstandsfähige Pflanzensorten – sie ist deswegen essenziell für die Nahrungsmittelproduktion. Vielfältige Ökosysteme speichern CO₂ und regulieren das lokale Klima, was zur Klimastabilität beiträgt. Gesunde Ökosysteme sorgen zudem für sauberes Wasser und regulieren den Wasserkreislauf. Auch medizinische Ressourcen sind auf Biodiversität angewiesen, da viele Medikamente aus der Natur stammen, beispielsweise Heilpflanzen oder aus Mikroorganismen gewonnene Antibiotika.

Koevolution und Kettenreaktion

Was heißt das konkret? Der Mensch ist abhängig von der Biodiversität. Die Vielfalt der Tiere ist abhängig von der Vielfalt der Pflanzen. Von den 109 wichtigsten Kulturpflanzen sind 87 Arten abhängig von Bestäubern. Honigbienen erbringen jedoch höchstens ein Viertel der Bestäubungsleistung. Drei Viertel, also der Hauptanteil, geht auf das Konto von wilden bestäubenden Insekten wie Wildbienen, Fliegen, Käfern oder Schmetterlingen. Dass wir in den Genuss von Schokolade kommen, ist beispielsweise einem einzigen Insekt zu verdanken. Nicht Bienen bestäuben die Blüten der Kakaopflanze, sondern die Bartmücke. Ist der Pestizideinsatz, der Schädlingen den Garaus machen soll, zu hoch, stirbt auch die Bartmücke. Weniger Bartmücken bedeuten weniger Kakao und einen Rückgang der Produktion. Man kann ja auch mit der Hand bestäuben? Richtig, doch das kostet ungleich mehr Zeit und Geld. In China zum Beispiel bestäubt man aufgrund des Bienenrückgangs Obstbäume vielfach mit der Hand. Dafür sind etwa 2.000 Stunden menschlicher Arbeit nötig – ein Bienenvolk erledigt das in ungefähr einem halben Tag. Der wirtschaftliche Wert der Bestäubungsleistung in der Landwirtschaft wird weltweit jährlich auf ca. eine Billion geschätzt, für Deutschland auf circa 3,8 Mrd. Euro.

Eine Verringerung der Biodiversität kann also nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche und gesundheitliche Folgen haben. Jeder Rückgang oder gar das Aussterben einer Pflanze oder eines Tiers löst eine Kettenreaktion aus, deren Folgen meist nicht absehbar sind.

Blumenwiese, Foto: Margaret Polinder
Blumenwiese, Foto: Margaret Polinder

Was hat Biodiversität mit bäuerlicher Landwirtschaft zu tun?

Die Landwirtschaft kann sowohl zum Erhalt als auch zur Zerstörung von biologischer Vielfalt beitragen. Im Schwarzwald spielt die traditionelle Landwirtschaft eine wichtige Rolle beim Schutz der Biodiversität. Kleinteilige Strukturen wie Hecken, Feldraine und Blühstreifen schaffen Lebensräume für Insekten, Vögel und Kleinsäuger. Extensive Weidewirtschaft, also das Halten von Rindern, Schafen und Ziegen, trägt dazu bei, Wiesen und Weideflächen offen zu halten, und verhindert die Verbuschung. Streuobstwiesen sind eine besonders wertvolle Form der Landnutzung, da sie Lebensraum für zahlreiche Tierarten bieten und alte Obstsorten fördern. Auch die Heuwirtschaft, bei der späte Mahdtermine eingehalten und auf Pestizide verzichtet wird, trägt zur Förderung artenreicher Wiesen mit einer Vielzahl an Wildkräutern und Insekten bei. Gleichzeitig kann eine intensive Landwirtschaft Biodiversität gefährden, wenn Monokulturen, chemische Düngemittel und Pestizide eingesetzt werden.

Was können Landwirte für Biodiversität tun? Wo liegen die Chancen, aber wo auch die Herausforderungen, natürliche Vielfalt im bäuerlichen Arbeitsalltag zu berücksichtigen, welche Fördermöglichkeiten gibt es und welchen Beitrag können Verbraucherinnen und Verbraucher dazu leisten? Der Beantwortung dieser Fragen widmen sich weitere Teile der Serie „Biodiversität in der Landwirtschaft“ in den nächsten Ausgaben des Magazins von Marktplatz LandKultur.

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