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Erhöhung des Mindestlohns

Weiterer politischer Druck auf die bäuerliche Landwirtschaft

von Katja Brudermann, 18. Juli 2025 Die politische Entscheidung über die Erhöhung des Mindestlohns von aktuell 12,82 € auf 14,60 € bis Januar 2027 hat Konsequenzen für die bäuerliche Landwirtschaft. Ein heißes und komplexes Thema – auch für viele landwirtschaftliche Betriebe. Ein Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit von Katja Brudermann.
Weiterer politischer Druck auf die bäuerliche Landwirtschaft
Feldgemüseernte im Lebensgarten Dreisamtal

Ein Mindestlohn von 14,60 € in der Stunde – für einen deutschen Arbeitnehmer ist das nicht übertrieben viel. Ich habe mal grob überschlagen: Bei einer 40-Stunden-Woche und vier Wochen Jahresurlaub ergibt das ein Bruttomonatsgehalt von 2.400 €. Wenn man davon 30 % Steuern und Sozialabgaben abzieht, bleiben 1.680 €. Je nachdem, wo man lebt und wie das Mietpreisniveau dort ist, reicht das für einen bescheidenen oder auch sehr bescheidenen Lebensstil für eine Person. Wer eine mehrköpfige Familie ernähren will, braucht wohl einen anderen Job.

Nun handelt es sich in der Landwirtschaft bei etwa 30 % der Angestellten um Saisonkräfte, die überwiegend aus Polen und Rumänien stammen und ihr Gehalt nach ihrem Aufenthalt wieder mit in ihre Heimatländer nehmen. Auf den ersten Blick wäre es für die regionalen Landwirte eine große Erleichterung, wenn die Bezahlung der Saisonarbeiter nicht an den deutschen Mindestlohn gebunden wäre. Auf den zweiten Blick aber zeigt sich: Die wirtschaftliche Situation der Saisonhelfer hat sich in den letzten Jahrzehnten auch verändert. Für viele ist ein Arbeitsaufenthalt auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in Deutschland nicht mehr attraktiv – weil der Bauunternehmer nebenan oder der Landwirt in einem anderen Land mehr zahlt, oder weil der Unterschied zu einem Job im Heimatland nicht mehr groß genug ist, um Heimat, Freunde und Familienkreis für mehrere Monate zu verlassen. Also auch wenn der Lohn für Saisonkräfte dem freien Markt überlassen wäre – es wäre damit nicht automatisch sichergestellt, dass jeder Landwirt für den Lohn seiner Wahl ausreichend verlässliche Mitarbeiter rekrutieren kann. Dank sozialer Medien bekommen diese nämlich in Windeseile mit, wenn ein anderer Betrieb mehr zahlt, und wechseln schnell mal den Arbeitsplatz.

Für Landwirte – insbesondere für jene, die viele Angestellte finanzieren müssen – gleicht dennoch jede angekündigte Erhöhung des Mindestlohns einem Damoklesschwert, das über der eigenen wirtschaftlichen Existenz schwebt. Die Statistik belegt: Die dabei aufkommenden Ängste sind nicht von der Hand zu weisen. Bei Erdbeeren – ein Beispiel für eine sehr arbeitsintensive Kultur – ging die Anbaufläche in Deutschland seit Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 um 31 % zurück. Dahinter steht eine Entwicklung: Viele mittelständische Familienbetriebe hören auf, manche verpachten ihre Flächen an Kollegen, andere bauen vielleicht statt Erdbeeren pflegeleichtes Getreide an, was entspannt im Nebenerwerb zu schaffen ist. Und es bleiben die Betriebe übrig, die durch große Flächen und ein hohes Technisierungsniveau trotz steigender Lohnkosten am Markt bestehen können.

Kübiskernernte bei Vikifarms
Kübiskernernte bei Vikifarms

Wo ist das Problem? könnte man fragen. Im Supermarkt gibt es nach wie vor die Auswahl zwischen Hightech-Erdbeeren aus der Region und zugekaufter Ware aus dem Ausland, ungefähr zum halben Preis. Und auch über die Erdbeeren hinaus – wer Nahrungsmittel sucht, die einfach nur einigermaßen ansehnlich sind und satt machen, der lebt in Deutschland in großer Fülle, und auch am Horizont ist kein Notstand in Sicht.

Marktplatz Landkultur steht für die Überzeugung: Der Erhalt der regionalen, bäuerlichen Landwirtschaft ist wichtig. Die Gründe dafür sind vielfältig und lauten zum Beispiel:

- Versorgungssicherheit unabhängig von internationalen Handelsbeziehungen,

- Erhalt von Kulturlandschaft und Arbeitsplätzen in der Region,

- Produktion von Lebensmitteln, die im Kontext eines wohlwollenden und friedlichen Miteinander zwischen Mensch und Natur und der Menschen untereinander gewachsen sind.

Die politischen Rahmenbedingungen für einen landwirtschaftlichen Familienbetrieb, der einfach nur in Ruhe seine Felder bewirtschaften und ein bescheidenes Einkommen daraus erwirtschaften möchte, sind, gelinde ausgedrückt, ungünstig. Um daran etwas zu ändern, ist eine Debatte allein um den Mindestlohn aus meiner Sicht zu kurz gedacht. Der Erhalt unserer Landwirtschaft müsste als politisches Ziel erstmal grundlegend als solches benannt werden, um dann sehr, sehr viele kleine Stellschrauben für das Erreichen dieses Ziels anzupassen. Das ist ein mühsames Unterfangen, und ich bin dankbar für alle Organisationen, Gruppierungen und auch Einzelpersonen, die in dieser Thematik aktiv sind.

Und es gibt zudem noch etliche tapfere Landwirte, die allen Widerständen zum Trotz ihre Höfe bewahren, beständig auf der Suche nach innovativen Lösungen für all die Probleme, die mit den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in unserem Land zusammenhängen.

Geschäftsmodelle, die wohl auch einer erneuten Mindestlohnerhöhung standhalten können, sind zum Beispiel:

- Solidarische Betriebsmodelle: Hier werden nicht Lebensmittel, sondern Beteiligungen verkauft. Kunden zahlen einen monatlichen Beitrag und bekommen dafür einen entsprechenden Anteil an der Ernte. Die Kosten für den Betrieb sind damit gedeckt, auch wenn es z.B. witterungsbedingte Mindererträge gibt.

- Vielseitig aufgestellte Betriebe, die durch zusätzliche Einnahmequellen wie Ferienwohnungen, Freizeitangebote, Instagram-Kanäle etc. ihre Landwirtschaft querfinanzieren können.

- Soziale Landwirtschaft, in der Menschen mit Behinderung betreut werden und sich derweil sinnvoll mit einfachen Tätigkeiten einbringen können.

- Personengruppen und Gemeinschaften, die sich aus verschiedenen Berufen zusammensetzen und in einer gemeinsamen Ökonomie organisiert sind. Wenn das Einkommen aus der Landwirtschaft mit den Gehältern der Besserverdiener in einen Topf geworfen wird, ist für alle genug da.

- … und schließlich all die Landwirte, die mit einer Mischung aus sehr gut durchdachter Technisierung und Betriebsorganisation, Innovationsgeist, Idealismus und einem mehr oder minder vorhandenen Hang zur Selbstausbeutung am Ball bleiben.

Mein ganz persönlicher Appell lautet also nicht „Stoppt den Mindestlohn!“, sondern:
Macht die Augen auf – für die Schönheit und den Wert unserer Bauernhöfe!

Und es ist einfach, einen kleinen Beitrag zu deren Erhalt beizusteuern, zum Beispiel durch den Einkauf regionaler Produkte oder die Teilhabe an einer solidarischen Landwirtschaft.

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