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Höfe-Festival 2025

Vielfalt bewahren: Das Hinterwälder Rind

von Katja Brudermann, 15. September 2025 Was unterscheidet eine Hinterwälder Kuh von einer modernen Hochleistungskuh? Und was sind die Besonderheiten dieser für den Südschwarzwald so typischen Rasse, die vom Aussterben bedroht ist? Auf dem Höfe-Festival 2025 können die Besucher auf Tuchfühlung gehen und alles Wissenswerte rund um die Hinterwälder erkunden.
Vielfalt bewahren: Das Hinterwälder Rind
Hinterwäder Rinder im Schwarzwald, Foto: Johanna Pietschmann

Sie haben braun-weiß geschecktes Fell und schöne, bisweilen leicht geschwungene Hörner – wie viele andere Kuhrassen auch. Ihre wahren Besonderheiten offenbaren die Hinterwälder erst, wenn man sie näher kennenlernt. Antonia Wetzel (die übrigens am Samstag um 15 Uhr im LandKultur-Zelt des Höfe-Festivals über ihre Erfahrungen mit diesen Tieren spricht) erzählt von einem Hinterwälder Bullen: Er stand im Sommer auf der Weide am Berg und das Gras schien ihm – wie so oft – auf der anderen Seite des Zauns verlockender. Den Kopf hatte er ein gutes Stück unterm Zaun hindurch gestreckt und – zack! – bekam er einen Stromschlag und sprang vor Schreck aus der Weide heraus. Weil er sich aus Angst vor dem Strom nicht mehr zurück traute, machte er sich beherzt auf den Weg und wurde eine Weile später von den Nachbarn im Dorf gesichtet. Er war eine Strecke von rund fünf Kilometern heim zum Stall gelaufen.

Mit ihrem erstaunlichen Orientierungssinn, ihrem wachen Blick und ihrem lebhaften Temperament scheint es, als hätten sich die Hinterwälder im Vergleich zu ihren Hochleistungs-Artgenossen deutlich mehr Wildtier in sich bewahrt. Und doch: so wild und frei sie sich auf der Weide zeigen, so sind sie auch seit Generationen an ein enges Miteinander mit dem Menschen gewöhnt. Erst im Team aus Natur, Mensch und Tier konnte es in den vergangenen Jahrhunderten gelingen, den Schwarzwald mit seinen steilen Hängen, undurchdringlichen Wäldern und rauen Witterungsbedingungen zu einer Heimat für Zwei- und Vierbeiner zu machen. Und bis heute gibt es wohl keine andere Rinderrasse, die so optimal angepasst ist an die Landschaft des südlichen Schwarzwaldes. Ihr leichtes Körpergewicht hilft ihnen, auch steile Hänge mühelos auf- und abzulaufen, ohne den Boden dabei zu schädigen. Mit dem artenreichen, aber eher nährstoffarmen Futter der Bergwiesen kommen sie gut zurecht. Sie bringen keine Höchstleistungen, was Milch oder Fleisch betrifft, aber sie sind zäh, gesund und recht selbständig.

Ihr unschätzbarer Wert für die Bergbauern liegt also auf der Hand – und doch sind sie vom Aussterben bedroht. 2023 wurden in Baden-Württemberg 313 Hinterwälder Milchkühe und 1.726 Mutterkühe gezählt (Quelle: „Hinterwälder – Landschaftspfleger, Nutztiere und ein Stück Schwarzwald“ von Katja Brudermann, Franz Maus und Johanna Pietschmann, Badischer Landwirtschaftsverlag 2025). Auch wenn es schwierig ist, den Bestand vollständig zu erfassen – insbesondere bei den Milchkühen sinken die Tierzahlen in einen Bereich, in dem die züchterische Weiterentwicklung der Rasse, ja sogar ihr langfristiger Erhalt ungewiss wird.

Denn aus dem Blickwinkel einer auf Effektivität getrimmten Landwirtschaft weichen sie vom Ideal deutlich ab. Misst man den Wert eines Tieres allein an den Produktionskosten für einen Liter Milch, das von ihm gemolken wird, schneidet eine Hinterwälder Kuh auf einem Hof im Berggebiet unvergleichlich schlechter ab als eine Kuh, die auf maximale Milchleistung gezüchtet und gefüttert wird.

„Eine Landwirtschaft, die sich zu stark an standardisierten Zielen orientiert, droht ihre Vielfalt zu verlieren“, bemerkt Christoph Wasser. Als Initiator und Haupt-Verantwortlicher des Höfe-Festivals wie auch der Online-Plattform Marktplatz LandKultur möchte er ein Gegengewicht schaffen. „Mir liegt die bäuerliche Landwirtschaft am Herzen“, betont er, „bei uns in der Region gibt es so viele verschiedene Höfe, mit verschiedenen Tieren und Pflanzen und Betriebsentwürfen. Die Menschen, die hart arbeiten, um diese Vielfalt zu erhalten, möchte ich mit meinen Aktivitäten unterstützen und für die Öffentlichkeit sichtbar machen.“

Hinterwälderkuh im Schwarzwald, Foto: Johanna Pietschmann
Hinterwälderkuh im Schwarzwald, Foto: Johanna Pietschmann

Die Hinterwälder Rinder sind ein Beispiel von vielen regionaltypischen Nutztieren und -pflanzen, die von unermesslichem Wert sind: Sie tragen zum Erhalt unserer geliebten Kulturlandschaften bei, und auch zu einer genetischen Vielfalt, die für das Überleben der Menschheit auf diesem Planeten nicht unbedeutend ist.

Hinterwälder auf dem Höfe-Festival 2025

Auf dem diesjährigen Höfe-Festival gibt es einige Möglichkeiten, mit diesen sympathischen und urwüchsigen Tieren auf „Touch-Fühlung“ zu gehen:

* Auf dem Festival-Gelände ist der Förderverein Hinterwälder e.V. mit einem Info-Stand vertreten.

* Am Stand des Landratsamts lautet das Schwerpunkt-Thema „Wäldervieh“. Hier gibt’s Infos zu den Hinterwäldern und auch zu den Vorderwäldern, die etwas größer sind als die Hinterwälder.

* Auf der Koppel am Rand des Festival-Geländes ist am Samstag, den 27.9. und Sonntag, den 28.9. die Hinterwälder Kuh Laura mit ihrem Bullenkalb Loisel aus dem Bestand von Jeremy Büsch zu Gast.

* Im LandKultur-Zelt gibt es am Samstag, den 27.9. um 15 Uhr ein Special zu den Hinterwäldern. Katja Brudermann stellt das Buch „Hinterwälder – Landschaftspfleger, Nutztiere und ein Stück Schwarzwald“ vor, das ganz frisch aus der Druckpresse kommt. Es gibt ein paar Vorlese-Häppchen aus dem Buch und Hinterwälder-Halter kommen zu Wort.

Weitere Informationen zum Höfe-Festival 2025 können Sie hier einsehen.

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