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Wo eine Kuh über die Weide zieht, passiert mehr, als man denkt. Mit jedem Huftritt, jedem Bissen und jedem Fladen formt sie die Landschaft – wie schon ihre Vorfahren, die Auerochsen, vor tausenden Jahren. Pflanzen lernten, mit dem Verbiss zu leben, entwickelten Überlebensstrategien. Insekten, Pilze, Vögel fanden ihren Platz rund um den Dung – ein kleiner Kosmos voller Leben. Dieses Miteinander ist kein Zufall, sondern Ergebnis jahrtausendelanger Koevolution: ein stilles Zusammenspiel von Tier, Pflanze und Boden. Ohne Weidetiere gäbe es viele blühende Wiesen, Düfte und so manches Gesumme und Gebrumme nicht mehr. Biodiversität ist eben mehr als Artenvielfalt – sie erzählt Geschichten von Beziehung, Anpassung und Gleichgewicht.
Eine Botschafterin, die diese Geschichten weitererzählt, ist Rita Schwär aus St. Märgen. Sie hat im vergangenen Jahr die Ausbildung zur Biodiversitäts-Pädagogin absolviert und sich damit unter dem Namen natur begreifen und schützen selbständig gemacht. „Mikrokosmos Kuhfladen – oder was Kuhkacke mit Biodiversität zu tun hat“ heißt einer ihrer Vorträge, den sie, am liebsten vor Ort und draußen in der Natur, hält. Gemeinsam mit Richie Regenwurm lädt sie Kinder genauso wie Erwachsene dazu ein, zu lernen, wie wichtig die Zusammenhänge in unserem Ökosystem sind – für uns alle.
Rita, warum hast du dich für die Ausbildung zur Biodiversitäts-Pädagogin entschieden?
Ich war schon immer ein Naturkind, das Blätter und Blüten zerlegt hat, um herauszufinden, wie sie organisch aufgebaut sind. Mein Halbwissen wollte ich jetzt endlich fachlich und biologisch fundiert unterfüttern. Außerdem beobachte ich schon seit geraumer Zeit, dass ehemals gesunde ökologische Kreisläufe aus dem Gleichgewicht kommen. Dem möchte ich mit meinem Wissen gegensteuern.
Deine Familie betreibt einen Milchviehbetrieb im Schwarzwald. Was hat für dich Landwirtschaft mit Biodiversität zu tun, wie hängt das zusammen?
Ich sehe es als ganz große Aufgabe von uns Landwirten, so viel wie möglich für die Artenvielfalt zu tun. Ganz oft sind wir Eigentümer von großen Flächen. Und dann sind wir eigentlich auch die Einzigen, die die Möglichkeit haben, diese Fläche auch wirklich für den Artenschutz zu retten.
Wie bist du darauf gekommen, den Mikrokosmos Kuhfladen näher zu betrachten?
Schon immer, wenn ich abends die Kühe von der Weide hole, fällt mir, dass es auf den Kuhfladen summt und brummt und wimmelt. Meine Neugierde hat mich angetrieben zu wissen, was – und warum – da so viel los ist.
Was hat denn nun Kuhkacke mit Biodiversität zu tun?
Ein Kuhfladen ist eine tolle Sache. Er ist Rendezvousplatz, Kindergarten, Wohnung, Nahrung und Jagdrevier für eine große Zahl von Insekten. Diese sind zunächst Biomasse und damit Nahrung für Tiere wie Igel, Dachs und zahlreiche Vögel sowie Schmetterlinge, die sich über die auskristallisierten Mineralsalze freuen. Darüber hinaus düngt die Kuhkacke den Boden, was wiederum das Bodenleben begünstigt. Käfer und Regenwürmer werden angelockt und lockern dabei den Boden von unten. Damit haben Pflanzen wiederum besseren Zugang zu Sauerstoff und Wasser, der Humusaufbau wird gefördert und dadurch CO2 gespeichert. Kurz: eine echt tolle Sache.
Inwieweit beeinflussen Entwurmungsmittel für die Rinder die Dungfauna?
Während der Weidezeit sollte man definitiv nicht entwurmen. Die Mittel wirken nicht nur gegen Parasiten im Darm der Tiere, sondern auch bei Insekten auf der Weide, die das Mittel über die Ausscheidung der Tiere aufnehmen – und ebenfalls sterben. Das heißt, ein Fladen von einer entwurmten Kuh ist im Prinzip nur noch ein toxischer Haufen.
Kuhfladen sind also zentraler Bestandteil natürlicher Stoffkreisläufe. Sie düngen den Boden, fördern Mikroorganismen, die Bodenfruchtbarkeit – und damit das Wachstum von Pflanzen, die wiederum Futter oder Nahrung für uns Menschen liefern. Für Konsumentinnen und Konsumenten heißt das: Wer Produkte von Tieren aus Weidehaltung kauft, unterstützt gesunde Böden und nachhaltige Lebensmittelkreisläufe.
Aber wie ist die Situation für Landwirtinnen und Landwirte – ist es heutzutage noch möglich, wirtschaftliche Ziele mit dem Erhalt dieser Mikro-Ökosysteme zu vereinen?
Zunächst einmal möchte ich zustimmen: Ja, es ist ganz wichtig, regional und saisonal zu kaufen, am besten direkt beim Landwirt. Wir sind seit 13 Jahren an Bioland angeschlossen und wir versuchen, so viel wie möglich für die Artenvielfalt zu tun. Aber wir merken definitiv, dass wir an unsere Grenzen stoßen. Oft bekommen wir für viel Arbeit zu wenig Geld – und wir müssen ja von unserer Milch leben können. Als Bäuerin und Biodiversitäts-Pädagogin schlagen da zwei Herzen in meiner Brust. Aber es bleibt mein täglicher Ansporn, Lösungen zu finden. Das möchte ich auch an die Menschen weitergeben, die meine Angebote buchen. Denn viele Menschen haben sich ganz weit von der Natur entfernt. Aber nur wenn man die Zusammenhänge der Natur und ihre Kreisläufe verstanden hat, weiß man, wie wichtig sie sind. Und dann wird man sie auch automatisch schützen.
In Teil 1 unserer Serie „Biodiversität in der Landwirtschaft“ können Sie nachlesen, warum Biodiversität eigentlich so wichtig ist und was Artenvielfalt mit bäuerlicher Landwirtschaft zu tun.