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Wie in Teil 1 zu den Hintergründen des Bauernkrieges berichtet, gelang es im Winter 1524/1525, die Kräfte von drei großen Bauernhaufen – dem Seehaufen, dem Baltringer Haufen bei Biberach und dem Allgäuer Haufen – zu bündeln und so den Druck auf die Obrigkeit zu erhöhen. Am 6. März 1525 trafen sich Delegierte dieser drei Bauernhaufen mit Vertretern des Schwäbischen Bundes, einem Zusammenschluss mehrerer freier Reichsstädte und regionaler Fürstentümer. In Memmingen trugen die Vertreter der Bauern erstmals einen Forderungskatalog bestehend aus zwölf Artikeln vor, der zum weitreichenden Manifest des Bauernkrieges werden sollte. Die Zahl zwölf war bewusst gewählt worden, denn von zwölf Jüngern Jesu hatte die Bibel berichtet. Überhaupt beriefen sich die Bauern in ihren Forderungen auf Gott und darauf, dass die sich angehäuften Missstände im Sinne seiner alleinigen Autorität beseitigt werden sollten.
Die Forderungen der zwölf Artikel
Gemäß dem ersten Artikel sollte eine Gemeinde ihren Pfarrer selbst wählen und bei Fehlverhalten wieder abwählen können. Der Pfarrer sollte das Evangelium in der heiligen Messe klar und deutlich ohne eigene Interpretation der Heiligen Schrift vortragen.
In Artikel zwei wurde gefordert, die Abgabenlast auf den Großen Zehnt zu beschränken, während der Kleine Zehnt auf Kleinvieh, Obst und Gartengemüse abgeschafft werden sollte, da er nicht mit der Bibel begründet werden konnte.
Artikel drei verlangte die Abschaffung der Leibeigenschaft. Hier berief man sich wiederum auf die Bibel, in der geschrieben steht, dass die Menschheit durch das Blut Christi bereits von aller Knechtschaft erlöst worden sei.
Gemäß Artikel vier sollten die Bauern wieder frei in den Wäldern jagen und in den Gewässern fischen dürfen. Wie in der biblischen Schöpfungsgeschichte formuliert, sollten die Tiere allen Menschen untertan sein und nicht nur der Obrigkeit.
Die Wälder sollten laut Artikel fünf den Bauern wieder zur Brennholz- und Bauholznutzung offen stehen. Die Landesherren hatten den Bauern den Zugang zu ihren Wäldern verboten und konnten so das benötigte Holz teuer verkaufen.
Artikel sechs war dem Frondienst gewidmet, der wieder auf ein vertretbares Maß zurückgeführt werden sollte. Eine gänzliche Abschaffung forderten die Bauern nicht. Gemäß Artikel sieben sollten diese Frondienste aber angemessen entschädigt werden.
Der Grundzins sollte laut Artikel acht gerecht festgelegt werden. Die Gesamtheit aller Abgaben betrug anno 1525 ein Drittel bis die Hälfte ihrer Erträge. Dabei wurden Ausfälle durch Missernten nicht berücksichtigt.
Gerichtsurteile sollten gemäß Artikel neun auf Grundlage alter schriftlich festgehaltener Gesetze gesprochen werden und nicht mehr nach der Willkür der Mächtigen.
Artikel zehn forderte die Rückgabe aller Allmendflächen zur gemeinsamen Nutzung.
In Artikel elf wurde die Abschaffung der Erbschaftssteuer gefordert. Im Todesfall mussten die Erben das beste Tier oder mancherorts den halben Nachlass an den Landesherrn abgeben.
Der zwölfte Artikel definierte keine weiteren Ansprüche. Er rief lediglich dazu auf, die vorangegangenen Forderungen anhand der Bibel abzugleichen. Sollte eine Forderung wider Erwarten dem Wort Gottes nicht entsprechen, so wolle man von ihr ablassen.
Das Manifest von Memmingen schloss mit den Worten „der Friede Christi sei mit uns allen“.
Verbreitung und Wirkung der „12 Artikel“
Obwohl in den zwölf Artikeln die Autorität der Landesherren nicht grundsätzlich in Frage gestellt wurde und sie sich auf Gott und die Bibel beriefen, dachte niemand aus dem Kreis der Fürsten und Landesherren wirklich daran, etwas davon umzusetzen. Vielmehr spielten sie auf Zeit. Als dann im späten Frühjahr 1525 die militärischen Mittel bereitstanden, wurde der Bauernaufstand bis in den Sommer 1525 hinein brutal niedergeschlagen und die Bauernschaft für ihren Aufruhr ohne jegliches Erbarmen auf das Härteste bestraft.
Wenngleich die in Memmingen verfassten zwölf Artikel für die damalige Bauernschaft keine Verbesserung brachten, waren sie ein frühes Plädoyer für Menschenrechte und bildeten eine Grundlage für die Französische Revolution oder die Verfassung der USA. Denn dank des um 1450 erfundenen Buchdruckes konnten die in den zwölf Artikeln niedergeschriebenen Forderungen in einer für damalige Verhältnisse großen Auflage von bis zu 25.000 Exemplaren gedruckt werden und fanden innerhalb kurzer Zeit in ganz Süddeutschland und darüber hinaus Verbreitung.
Parallelen zur Gegenwart
500 Jahre später hatte sich innerhalb der Bauernschaft einiger Frust und Ärger über die ausufernde Bürokratie, fehlende Anerkennung der Leistungen der Landwirtschaft und wirtschaftliche Sorgen angestaut. Die von der damaligen Bundesregierung im Dezember 2023 zwecks Haushaltskonsolidierung beschlossene Streichung der Agrardieselrückvergütung und der KFZ-Steuerbefreiung für Agrarfahrzeuge hatte dann das Fass zum Überlaufen gebracht: Die Bauernschaft schloss sich im Frühjahr 2024 landesweit zu Protesten zusammen.
Nach dem Regierungswechsel 2025 soll nun von der Abschaffung der Agrardieselrückvergütung abgesehen werden. Jedoch ist niemand auf deutscher oder europäischer Ebene bereit, die Agrarpolitik grundlegend neu auszurichten. Zu stark ist der Einfluss der Interessensvertreter einer industriellen Landwirtschaft auch innerhalb der Bauernverbände.
Der Erhalt des bäuerlichen Familienbetriebs ist bis heute lediglich das Thema unzähliger Sonntagsreden. 80 % der Agrargelder kommen 20 % der größten Agrarbetriebe zugute. Die restlichen 80 % der Betriebe, die überwiegend familiär und kleinbäuerlich geführt werden, müssen sich mit den übrigen 20 % der Fördergelder begnügen. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft mit seinem Mantra des „Wachsens oder Weichens“ hat schon unzählige Landwirtschaftsbetriebe aus dem Spiel gekegelt. Wer unbedingt am Ball bleiben will im Rennen um eine ökonomische Zukunft seines Betriebes, muss sich in immer kürzeren Abständen immer höher neu verschulden.
Zwar sind Leibeigenschaft und Frondienst Vokabeln aus einer lange zurückliegenden Zeit, jedoch wirklich frei sind auch die Bauern der Gegenwart nicht.